24
GESICHTER DES NIEDERRHEINS " REINHOLD EWALD
BIS IN DIE UNENDLICHEN
WEITEN DES WELTALLS
FÜR S EINEN T RAUM MUSSTE R EINHOLD EWALD MÖNCHENGLADBACH V ERLASSEN. S CHLIESSLICH WOLLTE
ER HOCH H INAUS. UND E S I ST IHM G ELUNGEN. 1997 WAR E R AUF D ER RUSSISCHEN RAUMSTATION „ MIR“.
IM HERZEN A BER I ST DE R RHEINLÄNDER IMMER AUF DE M B ODEN G EBLIEBEN.
Das ist typisch Reinhold Ewald: Er sitzt in einem Café, soll
von sich erzählen, seinen Erfolgen, seinem Leben. Doch er
will erst über einen ehemaligen Kollegen sprechen, der
kürzlich verstorben ist. Eine seiner wichtigsten Charaktereigenschaften
hat Ewald damit schon offenbart – er ist ein
Teamplayer. Konkurrenzdenken, Ellenbogenmentalität, all
das ist ihm fremd. Mit seinen grauen Haaren und dem Lächeln,
das fest auf seinen Lippen zu wohnen scheint, wirkt
er wie ein Ruhepol. Gerade hat er sich Rührei bestellt und
erzählt, dass er in den 1960er-Jahren die Fernsehserie
„Raumpatrouille Orion“ geschaut habe, wie eben die meisten
Kinder. „Die Sterne fand ich schon spannend, aber Teleskope
habe ich nicht gebastelt. So weit ging es nicht. Außerdem
waren mir die Berufsaussichten in der Astronomie
zu schlecht.“ Also hat er Physik studiert, promoviert und
hat dann in Zermatt gearbeitet, wo die Universität Köln ein
Radioteleskop betrieb. „1990 hatte ich schließlich die Chance,
das Astronauten-Training in Moskau zu absolvieren.“
Ein anderer flog ins All
Man muss schon zwischen den Zeilen lesen, um zu erahnen,
dass Ewald mit seiner Arbeit vermutlich einige Vorgesetzte
sehr beeindruckt hat. Und vielleicht auch mit seiner
bescheidenen Art. Denn damals blieb er Ersatzmann, sein
Kollege Klaus-Dietrich Flade durfte ins All, und Ewald zeigte
sich nicht enttäuscht, sondern zufrieden: „Es war eine tolle
Zeit, in der ich viel gelernt habe. Außerdem hatte ich mit
dieser Entscheidung gerechnet. Schließlich war Flade ein
ehemaliger Testpilot und ich so ein komischer Wissenschaftler
im Tweedjackett.“ Ewald lacht laut auf.
Dr. Fritz Langensiepen, früher Leiter des Amtes für rheinische
Landeskunde beim Landschaftsverband Rheinland,
hat mal versucht, die Mentalität seiner Landsleute zu beschreiben:
Der Rheinländer an sich sei offen, tolerant und
gesellig. Man könnte meinen, er habe Ewald gut gekannt.
„Ich liebe Europa“, schwärmt der 63-Jährige, der passenderweise
1992 den russischen „Orden der Völkerfreundschaft“
verliehen bekommen hat. Man kann sich gut vorstellen,
wie er – oft in seiner Karriere – den Konkurrenz -
kampf ausgehebelt hat durch den Satz: „Jungs, jetzt entspannt
euch mal.“ Ihm hat diese Einstellung geholfen. 1997
bekam er seine Chance und og für 18 Tage zur russischen
Raumstation „Mir“ – in Mönchengladbach saß er übrigens
einen Tag später auf einer Rakete, natürlich nur im Veilchen-
dienstagszug.
Geehrter Bürger und Borussia-Fan
Sein Handy klingelt. Ewald geht ran, spricht Russisch.
Durch seine Arbeit hat er Freunde auf der ganzen Welt.
Nach der „Mir“ arbeitete er unter anderem sechs Jahre
lang im DLR-Kontrollzentrum im bayerischen Oberpfaffenhofen.
„Dort habe ich erst mal das inoffizielle Missionswerk
rheinischer Frohsinn gegründet“, sagt er und grinst.
„Ich habe eine Floßfahrt organisiert, Kinoabende. Die saßen
ja alle nur rum!“
So richtig verlassen hat Ewald das Rheinland ohnehin nie.
Denn seine Frau und die drei Kinder sind die meiste Zeit
hiergeblieben, während der Vater pendelte. Inzwischen hat
Ewald eine Professur am Institut für Raumfahrtsysteme der
Universität Stuttgart und fährt am Wochenende zu seiner
Frau nach Köln. Mönchengladbach fühlt er sich sehr verbunden.
Als Träger der „Goldenen Blume von Rheydt“, dem
wohl ältesten deutschen Umweltschutzpreis, hat er sich im
Goldenen Buch der Stadt verewigt und bekleidet zudem diverse
Ehrenposten. Mit seinem Bruder teilt er sich eine
Dauerkarte für die Borussia. Dem Fanmuseum „Fohlenwelt“
stiftete Ewald sein Tippkick-Männchen im Netzer-Trikot, das
er auf der „Mir“ dabeihatte. „Mönchengladbach ist meine
Heimat. Ich möchte die Stadt unterstützen, wo ich nur
kann“, sagt Ewald – ein echter Teamplayer lässt seine
Mannschaft so oder so nie in Stich.
„MEINE RHEINISCHE NATUR
HAT M IR ÜBERALL G EHOLFEN,
FREUNDE Z U F INDEN.“
Reinhold Ewald