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GESICHTER DES NIEDERRHEINS " ELMAR THEVEßEN
„ICH BIN NOCH
NICHT ZU 100 PROZENT
AMERIKANISIERT“
ER BEZEICHNET SICH SELBST ALS KOPFMENSCHEN, ALS JEMANDEN, DER WIE EIN TROCKENES
BRÖTCHEN DAHERKOMMT. DOCH DER GEBÜRTIGE VIERSENER ELMAR THEVESSEN STELLT KLAR:
„ICH KANN AUCH LOCKER. UND ICH BIN EIN UNVERBESSERLICHER OPTIMIST.“
Es sind Bilder, die man so schnell nicht vergisst: Am 06. Januar
berichtet Elmar Theveßen live aus Washington für das
ZDF, unweit der Stufen des Kapitols. Eben noch kommentiert
er die Protestversammlung der Anhänger Donald
Trumps mit sachlicher Distanz, dann plötzlich wird es turbulent,
als aufgebrachte Demonstranten sich nähern. Bei
der nächsten Schalte kann Theveßen nur noch zu Protokoll
geben, dass man ihm und seinem Team das Equipment entrissen
und zerstört hat. Eine außergewöhnliche Situation,
wie sie der Leiter des ZDF-Studios in seiner bisherigen
Laufbahn noch nie erleben musste.
Investigativ unterwegs
Dabei ist er Experte für brisante Themen. Als Politikredakteur
recherchierte er investigativ rund um organisierte Kriminalität,
Islamismus und Terrorismus und schrieb zahlreiche
Bücher, darunter „Schläfer mitten unter uns“ und
„Terroralarm“. Sein nunmehr siebtes Buch „Die Zerstörung
Amerikas“ führt zahllose Beispiele dafür an, wie Donald
Trump nicht nur sein Land, sondern auch die Welt für immer
verändert hat.
Das Bücherschreiben zählt Theveßen neben Lesen und
Joggen zu seinen liebsten Hobbys. Wann er dazu kommt?
Die Wochentage sind meist durchgetaktet, sechs Stunden
Schlaf reichen ihm. Aufstehen gegen 07:30 Uhr. Ein Caffè
Latte mit Blick ins Grüne, dabei die Morgenlektüre auf dem
Tablet: New York Times, Washington Post, ein schneller
Blick in die E-Paper der großen deutschen Tageszeitungen.
Arbeitsbeginn ist um 08:30 Uhr, 09:00 Uhr Teambesprechung,
digital oder „Face to Face“ im Büro im Stadtteil
Georgetown. Vor 18:00 Uhr fährt er selten heim – manchmal
mit dem Rad. „Da wird dann schon mal komisch geguckt“,
sagt er lachend. „Daran merke ich: Zu 100 Prozent bin ich
wohl noch nicht amerikanisiert.“
Geboren und aufgewachsen ist Theveßen als zweiter von
drei Söhnen mitten in Viersen. Er ging auf die Remigius-
Grundschule, seine Eltern betrieben ein Möbelgeschäft an
der Hauptstraße. Schon damals war er wissbegierig, verschlang
ein Sachbuch nach dem anderen. Später auf dem
Bischöflichen Albertus-Magnus-Gymnasium stand er mit
der Theatergruppe das erste Mal vor Publikum. Ebenfalls
dabei: Mitschüler Dietmar Jacobs, der später bekannt wurde
als Autor unter anderem für die Mitternachtsspitzen.
Nach dem Abitur und seiner Bundeswehrzeit studierte
Theveßen Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften
in Bonn. Zwei Auslandssemester an der American
University brachten ihn das erste Mal nach Washington.
Zuvor hatte er schon „Fernsehluft“ geschnuppert,
beim ZDF als freier Mitarbeiter. Nach dem Studium nahm
ihn der damalige Leiter des Bonner Studios, Klaus-Peter
Siegloch, unter seine Fittiche.
Washington ist zweite Heimat
Als Korrespondent des ZDF zog es ihn in den 1990er-Jahren
wieder nach Washington. Heute ist er hier – nach fast
zwölf Jahren als Hauptredaktionsleiter Aktuelles – Chef eines
20-köpfigen Teams. „Washington ist für mich tatsächlich
meine zweite Heimat geworden“, so Theveßen. Was
ihm nicht gefällt? „Die Affenhitze im Sommer“, sagt er lachend.
Und: „Die Stadt hat sich durch die Gentrifizierung
dramatisch verändert. Viele Alteingesessene wurden
durch zahlungskräftigere Eigentümer und Mieter verdrängt.“
Doch für ihn und seine Frau ist Washington trotz
allem der „Place to be“. Ihr uriges Haus, gebaut im Jahr