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Noch ist er etwas grün und klein, der
Johannes Böttner. „Die einzige Apfelsorte,
die alle Menschen vertragen“,
eröffnet Katharina Tumbrinck. Sie ist
die 1. Vorsitzende des Fördervereins
Obstsortenvielfalt. Hat der allergikerfreundliche
Apfel aber erst mal rote
Backen, schmecke er süßsäuerlich,
„richtig lecker!“. Eine Etage tiefer am
selben Stamm reift die Apfelsorte „Jakob
Lebel“ heran. „Ein wunderbarer
Kuchen- und Mostapfel“, schwärmt
Tumbrinck. Benannt sind beide jeweils
nach dem Gärtner, der sie zu Beginn
des 20. Jahrhunderts gezüchtet hat.
Die „alten Herren“ benden sich in guter
Gesellschaft – an einem gut 100 Meter
langen Spalier mit vielen anderen alten
Apfel- und Birnensorten. Gegenüber
gibt es noch so ein langes Spalier und
ein paar Meter weiter einen zweiten
Gang dieser Art. „Das ist unser Genpool“,
verrät Tumbrinck, die an einer
Waldorfschule Biologie unterrichtet.
Die Spaliere sind das Herz des Rheinischen
Obstsortengartens, den der
Verein seit 2017 betreut und von der
Stadt Wassenberg gepachtet hat.
Funde aus Privatgärten
Oftmals wachsen drei oder vier Sorten
an einem kleinen Stamm. Als einjährige
Triebe, sogenannte Reiser, hat
Katharina Tumbrinck sie aufgepfropft.
Veredeln nennt man das. 2009 hat sie
das Projekt gemeinsam mit dem Naturschutzbund
NABU initiiert. Die Begeisterung
für ihr Hobby sieht man ihr
an: „Ich bin einfach ein großer Apfelfan,
schon seit meiner Kindheit.“
Die Reiser stammen aus dem Rheinland
von Bauern und aus Privatgärten.
Gefunden hat der Verein sie über
Suchaktionen und Aufrufe. Der Vorteil
beim Spalier: „Dort können wir verschiedene
Sorten auf engstem Raum
,parken‘, die bereits im zweiten Jahr
Früchte tragen“, erzählt Tumbrinck.
Ein Obstbaum brauche dafür etwa
zehn Jahre. Und die unbekannten Sorten
ließen sich erst anhand der Früchte
bestimmen.
Der Pomologen-Verein, ein Netzwerk
aus Obstkundlern, unterstützt die
Wassenberger dabei. Mehr als 100 alte
Sorten konnten sie schon gemeinsam
identizieren. Die Äpfel haben so
klangvolle Namen wie „Weißes Seidenhemdchen“
oder „Geheimrat
Dr. Oldenburg“ und eine Birne nennt
sich „Schmelzende von Thirriot“. Sie
aufzunden, das sei oft richtige Detektivarbeit,
so Tumbrinck. „Aber nur auf
diesem Weg können wir die genetische
Vielfalt der Sorten als traditionelles
Kulturgut erhalten.“ Das Engagement
erntete viel Anerkennung. 2018
wurde der Wassenberger Garten zum
bundesweit ersten „NABU-Obstsortenparadies“
erklärt.
NEW förderte das Projekt
Viele alte Sorten hat der Verein bereits
an Hochstämme ausgewildert. Exakt
191 stehen auf den Wiesen des vier
Hektar großen Areals, das ehemals eine
Prsichplantage war. Acht wurden
aus dem Topf der NEW-Vereinsförderung
nanziert. Für die 14 Vereinsmitglieder
gibt es von Frühjahr bis Herbst
immer etwas zu tun. Das Gras zwischen
den Obst- und Spalierbäumen
muss gemäht werden, die kleinen Flächen
mit der Motorsense, die großen
mit dem Aufsitzmäher. Im Sommer
werden das Spalier und die Hochstämme
gewässert. Im Frühjahr brauchen
die Bäume und die Buchenhecke
rund um das Gelände immer wieder
einen Schnitt. Fürsorge benötigen
auch die eißigen Bestäuber. Der Verein
hat für Wildbiene, Hummel & Co
ein dreistöckiges Insektenhotel gebaut
und eine Wildblumenwiese angelegt.
Unterschlupf bieten den Insekten auch
ein paar alte Kirschbaumruinen auf
dem Gelände.
Naschen leider verboten
Die nächste große Vereinsaktion wird
die Sanierung eines verfallenen Flachbaus
sein, der mal zur Plantage gehörte.
Mit Fördermitteln soll dort ein Lagerraum
für Obst und Gerätschaften
entstehen, ein weiterer für Ausstellungen
und Kurse in Obstkunde sowie eine
Mini-Küchenzeile. Für einen Obstverkauf
reichen die Erntemengen
bisher noch nicht. Schon heute kann
aber jeder, der will, den Obstsortengarten
besuchen. Die Adresse lautet:
Am Stern 21, 41849 Wassenberg. Genascht
werden darf allerdings noch
nicht, sonst lassen sich die Sorten
nicht bestimmen.
Fotos: Mar tin Leclaire
ALTE SORTEN
GESUCHT!
Für das NABU-Obstsortenparadies werden
weiterhin alte Obstsorten gesucht.
Wer solche im Garten hat, kann sich
gerne melden. Mailen Sie einfach an
info@obstsortengarten.de
Außerdem kann man sich mit Spenden
(„Rheinischer Obstgarten“,
IBAN DE19 370 205 00000 1141480)
oder auch als Baumpate für den Erhalt
alter Obstsorten einsetzen. Mehr Infos:
www.obstsortengarten.de